Balladen und Gedichte Songtexte und Volkslieder Wissen und Forschung Suche und Links
Autoren
Themen
Länder

Arndt, Ernst Moritz
Arnim, Achim von
Brentano, Clemens
Browning, Robert
Busch, Wilhelm
Bürger, Gottfried August
Chamisso, Adelbert von
Droste-Hülshoff, Annette von
Eichendorff, Joseph von
Ernst, Otto
Fontane, Theodor
Gerhardt, Paul
Goethe, Johann Wolfgang von
Grillparzer, Franz
Hagedorn, Friedrich von
Hebbel, Friedrich
Heine, Heinrich
Herder, Johann Gottfried von
Hofmannsthal, Hugo von
Housman, A.E.
Hölty, Ludwig Heinrich Christoph
Keats, John
Keller, Gottfried
Kraus, Karl
Liliencron, Detlev von
Meyer, Conrad Ferdinand
Münchhausen, Börries Frhr. von
Mörike, Eduard
Ringelnatz, Joachim
Schiller, Friedrich
Storm, Theodor
Uhland, Ludwig
Weckherlin, Georg Rodolf

Kurt von Spiegel

Annette von Droste-Hülshoff

O frommer Prälat, was ließest so hoch
Des Marschalks frevlen Mut du steigen!
War's seine Gestalt, deren Adel dich trog,
Sein flatternder Witz unter Bechern und Reigen?
O frommer Bischof, wie war dir zu Mut,
Als rauchend am Anger unschuldiges Blut
Verklagte, verklagte dein zögerndes Schweigen!

Am Wewelsberge schallt Wald-Hurra,
Des Rosses Flanke schäumt über den Bügel,
Es keucht der Hirsch, und dem Edelwild nah,
Ein flüchtiger Dogge, keucht Kurt von Spiegel;
Von Turmes Fahne begierig horcht
Der arme Tüncher, und unbesorgt
Hält in der Hand er den bröckelnden Ziegel.

Da horch! Halali! das Treiben ist aus,
Des Hirsches einzige Träne vergossen,
Ein Hörnerstoß durch das waldige Haus
Vereint zum Geweide die zott'gen Genossen,
Und bald aus der nickenden Zweige Geleit
Die Treiber so stumm, die Ritter so breit
Ziehn langsam daher mit den stöhnenden Rossen.

Der Spiegel spornt sein rauchendes Tier,
»Verfluchte Canaille, du hast mich bestohlen!«
Da sieht er, hoch an des Turmes Zimier,
Den armen Tüncher auf schwankenden Bohlen.
»Ha,« murrt er, »heute nicht Beute noch Schuß,
Nie kam ich noch wieder mit solchem Verdruß,
Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!«

Der Tüncher sieht wie er blinzelt empor,
Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen,
Da sieht er drunten visieren das Rohr,
Da hört er den Knall, und die Kugel noch pfeifen;
Getroffen, getroffen! - er schaukelt, er dreht,
Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgerät
Kollert er nieder zum rasigen Streifen.

Als träf' ihn selber das Todesgeschoß
So zuckt der Prälat, seine Augen blitzen,
»Marschalk!« stöhnt er, die Stirne wird naß,
Am schwellenden Halse zittern die Spitzen,
Dann fährt auf die Wange ein glühendes Rot,
Und »Marschalk!« ruft er, »das bringt dir den Tod!
Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!«

Doch lächelnd der Spiegel vom Hengste schaut,
Er lächelt umher auf die bleichen Vasallen:
»Mein gnädigster Herr, nicht zu laut, nicht zu laut,
Eu'r Dräuen möchte im Winde verhallen!«
Dann wendet er rasch, im sausenden Lauf
Durchs Tor und die donnernde Brücke hinauf.
Zu spät, zu spät sind die Gitter gefallen! -

*

Im Dome zu Paderborn ist verhallt
Das Sterbegeläute des alten Prälaten,
Und wieder im Dom hat Kapitels Gewalt
Den neuen Beherrscher gewählt und beraten.
Stumm fährt das Gebirg und die Felder hinein
Der neue Bischof zur Wewelsburg ein,
Geleitet von summenden Volkskomitaten.

Und als nun über die Brücke er rollt,
Und sieht die massigen Türme sich strecken,
Wie ihm im Busen es zittert und grollt!
An seiner Inful - o brandiger Flecken!
Des Spiegels Blut in dem Ahnenbaum hell!
Leis seufzet er auf, dann murmelt er schnell:
»Herr Truchseß, laßt unsere Tafel nun decken.«

Es kreisen die Becher beim Böllergeknall,
Die stattlichen Ritter, die artigen Damen,
Sich schleudernd des Witzes anmutigen Ball,
Fast von der Stirne die Falten ihm nahmen;
Da horch! im Flure ein Schreiten in Eil';
Es knarren die Türen, es steht eine Säul',
Der Spiegel, der blutige Marschalk, im Rahmen!

Der Bischof schaut wie ein Laken so bleich -
Im weiten Saal keines Odems Verhallen -
Ans Auge schlägt er die Rechte sogleich,
Und langsam läßt er zur Seite sie fallen.
Dann seufzt er hohl und düster und schwer:
»Kurt! - Kurt von Spiegel, wie kömmst du daher! -
Greift ihn, ergreift ihn, ihr meine Vasallen!«

Kein Sünderglöckchen geläutet ward,
Kein Schandgerüst sah man zimmern und tragen,
Doch sieben Schüsse, die knatterten hart,
Und eine Messe hörte man sagen.
Der Bischof schaut' auf den blutigen Stein,
Dann murmelt' er sacht ins Breve hinein:
»Es ist doch schwer, eine Inful zu tragen!«




Annette von Droste-Hülshoff

Biographie

Balladen und Gedichte
Abschied von der Jugend
Am Bodensee
Am letzten Tag des Jahres
Am Turme
An die Weltverbesserer
An Levin Schücking
Das alte Schloß
Das Fegefeuer des westfälischen Adels
Das Fräulein von Rodenschild
Das Spiegelbild
Das öde Haus
Der Fundator
Der Geierpfiff
Der Graf von Thal
Der Graue
Der Knabe im Moor
Der kranke Aar
Der Mutter Wiederkehr
Der Schloßelf
Der Säntis
Der Teetisch
Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Köln
Der Todesengel
Die Bank
Die rechte Stunde
Die Schmiede
Die Schwestern
Die Stiftung Cappenbergs
Die Taxuswand
Die Unbesungenen
Die Vendetta
Die Vergeltung
Fastnacht
Gedenk
Grüße
Im Grase
Junge Liebe
Katharine Schücking
Kinder am Ufer
Kurt von Spiegel
Lebt wohl
Mein Beruf
Meine Toten
Meister Gerhard von Köln
Poesie
Vor vierzig Jahren
Impressum   Kontakt




Magento Freelancer aus Köln Balladen.de - Startseite